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Ein Beruf zwischen Tradition und Moderne

In der Wandnische, hinter einer quadratischen Milchglasscheibe, steht eine Urne. Auf einer kleinen Plakette sind der Name des Verstorbenen und sein Todestag eingraviert. Doch das Schild hängt schief. Offenbar hat der Kleber im Laufe der Jahre nachgegeben, dadurch ist es um ein, zwei Millimeter verrutscht. Die Schräglage ist fast unsichtbar, doch Stefan Menge erkennt Handlungsbedarf. „Das werden wir sofort beheben“, sagt der 41 Jahre alte Bestattungsmeister.

In seiner Branche kommt es auf die Details an. Stefan Menge steht Menschen, die einen Angehörigen verloren haben, in einer der schwierigsten Phasen ihres Lebens zur Seite. „Dazu gehört der Respekt sowohl vor den Lebenden als auch vor den Toten“, sagt er. „Als Bestatter sind sie immer im Mittelpunkt. Wenn einem Möbelpacker mal ein Kühlschrank runterfällt – dann kann der Lieferant einen neuen Kühlschrank besorgen. Wenn ich aber den Sarg fallen lasse, in dem die geliebte Mutter liegt, ist der Teufel los und ich kann die Zeit nicht zurückdrehen.“

Stefan Menge in seiner Ausstellung: Das Interesse an klassischen Erdbestattungen lässt nach.

Den Zeitgeist erkennen

Zum Glück ist das bei der Familie Menge noch nie vorgekommen. Nicht ohne Grund behauptet sie sich seit beinahe 100 Jahren in der Branche – und erlebt, wie sich diese wandelt. „Wichtig ist es für uns, den Zeitgeist zu erkennen“, sagt Stefan Menge. „Wir sind sehr offen für Neuerungen, orientieren uns dabei aber immer an den Wünschen unserer Kunden.“ Sein Vater Bernd Menge beschäftigte sich zum Beispiel einst mit einer Alternative zur klassischen Beisetzung auf einem städtischen Friedhof. Im Jahr 2002 kam Bernd Menge auf die Idee, ein Kolumbarium auf seinem Grundstück zu errichten. Die altkatholische Kirche übernahm die Trägerschaft. So konnte der Bestatter damals in Bergheim den ersten privaten Urnenfriedhof in ganz Deutschland einweihen.

Das Kolumbarium ist stark gefragt.
Das Generationenfenster ermöglicht Einblicke in die Familiengeschichte.

Ein besonderer Ort der Trauer

Der Begriff „Kolumbarium“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „Taubenschlag“. Die Urnen stehen reihenweise in übereinander angebrachten Kammern. Viele Nischen sind liebevoll dekoriert. Angehörige haben Fotos der Verstorbenen angebracht und Blumen aufgestellt, abgelegte Steine tragen Inschriften wie „Es bleibt die Erinnerung“ oder „Wir vergessen Dich nie“.

„Der Mensch braucht einen Ort zum Trauern“, sagt Stefan Menge. „Und unser Kolumbarium ist dafür sehr gut geeignet.“ Die Räume sind geheizt, können wetterunabhängig und rund um die Uhr besucht werden, außerdem gibt es eine Video-Überwachung. Fast 1.000 Urnen hat er bereits eingestellt. „Das Kolumbarium wird immer häufiger als letzte Ruhestätte ausgewählt. Hier entfällt die Grabpflege und die Kosten sind überschaubar.“

Auf dem Weg zu seinem Büro steigt Stefan Menge eine Treppe hinauf – und kommt vorbei an einem Stück Familiengeschichte. Das Generationenfenster zeigt die Ursprünge des Bergheimer Unternehmens, das heute an mehreren Standorten 70 Mitarbeiter beschäftigt. Es war das Jahr 1931, als der gelernte Stellmacher Bernhard Menge ein Beerdigungsinstitut gründete.

„In unserem Beruf hat sich in den vergangenen Jahren einiges verändert.“

Stefan Menge

Deswegen finden sich im Mosaikfenster der Menges auch Bleistift, Lineal und Ernennungsurkunde wieder. Daneben symbolisieren Späne, Zirkel und Anschlagwinkel den Tischlerberuf des Vaters. Ein Wagen und ein Rad zeigen, dass der Firmengründer ein Stellmacher war.

Urnen gibt es in vielen Designs.

Das Generationenfenster

Inzwischen leitet Stefan Menge die Geschicke des Unternehmens. Er ist noch nicht im Generationenfenster verewigt. Aber das soll sich ändern: „Nebenan ist noch ein Fenster mit denselben Maßen. Da ist Platz für mich und die nächsten beiden Generationen.“ Die Tradition ist der Familie wichtig, trotzdem hat sie rechtzeitig die Herausforderungen der Moderne erkannt. „In unserem Beruf hat sich in den vergangenen Jahren einiges verändert“, sagt Stefan Menge. Die Zeit ist vorbei, in der die Angehörigen vornehmlich Erdbestattungen für die Verstorbenen verlangten. „Die Zahl der Feuerbestattungen steigt seit Jahren deutlich an“, so Menge. „Und der Hauptfaktor dafür ist das Geld. Eine Erdbestattung ist das Teuerste, was man machen kann. Nicht nur mit Blick auf die Beerdigung, auch die Grabstätte und ihre Pflege kosten vergleichsweise viel.“

Trend geht zur Nachhaltigkeit

80 Prozent der Menschen, die zum Beerdigungsinstitut Menge kommen, entscheiden sich für eine Feuerbestattung. Entsprechend groß ist das Angebot an Urnen. Gefragt sind Modelle aus Naturholz, etwa Erle oder Birke. Für ehemalige Bergleute gibt es eine Urne aus reiner Kohle, Anhänger des MSV Duisburg können sich für ein blau-weiß lackiertes Modell entscheiden. „Dabei geht der Trend hin zur Nachhaltigkeit. Alles, was wir anbieten, ist auf seine Umweltverträglichkeit getestet und löst sich in der Erde rückstandlos auf“, sagt Menge.

Dann präsentiert der Bestatter eine Urne, bei der auf jegliches Design verzichtet wurde. Er öffnet sie und holt einen Pinsel und Farbe heraus. „Sowas bieten wir auch an. Die Enkel können die Urne des Großvaters oder der Großmutter individuell bemalen, um sich zu verabschieden.“

Auch dieses Beispiel sieht Menge als Beleg für einen sich wandelnden Umgang mit dem Thema Tod. „Irgendwann kommt man in ein Alter, in dem man sich zwangsläufig mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzt“, sagt er. „Immer mehr Menschen planen bereits zu Lebzeiten ihre Bestattung. Zum einen, um ihre Angehörigen zu entlasten. Vor allem aber, weil sie dann sicher sein können, dass alles nach ihren Wünschen und Vorstellungen abläuft.“

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