Kultur von Bürgern für Bürger
Drei Stunden bevor Comedian Tutty Tran die Bühne betritt, sitzt René Terlinden noch alleine im Steinhof. Der gelernte Toningenieur dreht an den Reglern und überprüft die Akustik im Saal. „Heute haben wir ja hauptsächlich Redebeiträge“, sagt Terlinden. „Das macht die Arbeit für mich leichter.“ Bei Konzerten kommt der 47-Jährige schon eher ins Schwitzen. Er denkt an die Barry-White-Tribute-Show – eine Steinhof-Eigenproduktion. „Da stehen siebzehn Musiker auf der Bühne – von Streichern über Bläser bis zu Backgroundsängern“, sagt Terlinden. „Das ist für einen Toningenieur schon eine Herausforderung.“
Immer im Einsatz
Er kümmert sich als Haustechniker auch um das Licht in der Veranstaltungslocation. Terlinden schaltet die kleinen Spots und die großen Strahler an. Er tippt auf seiner Tastatur, wechselt so die Farben von Rot zu Blau zu Gelb. „Passt doch alles“, sagt Terlinden. Tutty Tran kann also kommen.
Aber erstmal kommt Dagmar Kessel zur Tür herein. Die 62-Jährige gehört zum Vorstand des Trägervereins „Kultur- und Bürgerzentrum Duisburg-Süd Steinhof Huckingen“. Es handelt sich dabei um einen Zusammenschluss der lokalen Akteure. Ob Bürgerverein, Schützenbruderschaft oder Karnevalsgesellschaft – sie alle verfolgen das gleiche Ziel: Der Steinhof soll eine namhafte Adresse für Kunst- und Kulturliebhaber sein. „Und das ist uns durch ehrenamtliches Engagement auch gelungen“, sagt Dagmar Kessel
Dabei drohte dem Hauptgebäude immer mal wieder der Abriss. Der mittelalterliche Steinturm aus dem 12. Jahrhundert stand zwar unter Denkmalschutz. Allerdings sollten andere Teile des Ensembles für den Schienenverkehr weichen. Dagegen wehrten sich die Bürger. Mit Erfolg. Die Bahnstrecke führt nun am Steinhof vorbei, im Gebäude begann um die Jahrtausendwende herum ein Komplettumbau. Die Huckinger rissen Wände ein, zogen Strippen, verlegten Fliesen – und feierten bald eine große Einweihungsparty. Allerdings ging der erste Trägerverein insolvent. 2008 kam es zu einer Neugründung. Der Steinhof war gerettet.
„Da stehen siebzehn Musiker auf der Bühne. Das ist für einen Toningenieur schon eine Herausforderung.“
Seitdem hat Dagmar Kessel zig Konzerte und Kabarettabende in Huckingen erlebt. Die britische Rockband 10cc war bereits im Steinhof zu Gast, Brings und Bläck Fööss begeisterten die Fans kölscher Lieder. Und sämtliche Größen des deutschen Kabaretts sind schon im Duisburger Süden aufgetreten: Wilfried Schmickler, Jürgen von der Lippe oder Wolfgang Trepper gehören zu den Stammgästen. „Ich denke auch besonders gerne an unsere Benefizveranstaltungen zurück“, sagt Dagmar Kessel. 2020 traten Künstler auf, um den Leidtragenden der Corona-Pandemie zu helfen. In diesem Jahr organisierte der Steinhof eine Gala, deren Einnahmen der notleidenden Bevölkerung in der Ukraine zugutekamen.
Die Planungen laufen
Bis zu 80 Veranstaltungen gibt es pro Jahr. Aktuell plant der fünfköpfige Vorstand, zu dem Alexandra Jockel, Arno Eich, Jörg Bunert und Andreas Koose gehören, schon das Programm fürs Frühjahr 2024. Dagmar Kessel entscheidet mit, wer angefragt wird. Sie übernimmt aber auch noch andere Aufgaben. So betreut die Huckingerin die prominenten Gäste. Sie kennt mittlerweile die kulinarischen Vorlieben der Stars. „René Steinberg braucht vor einem Auftritt immer sein Mettbrötchen“, sagt Dagmar Kessel über den Kabarettisten. Sie teilt außerdem die Helfer ein. 60 Ehrenamtliche arbeiten im Steinhof. Sie schenken an der Theke die Getränke aus, servieren Essen am Imbissstand, nehmen Jacken an der Garderobe an, verkaufen Karten an der Abendkasse und steuern den Einlass.
Heute sind 16 Helfer im Einsatz. Bevor jeder an seinen Platz geht, gibt es feste Umarmungen und kurzweilige Gespräche. „Das ist eine tolle Gemeinschaft“, sagt Alexandra Jockel. Die 48-Jährige aus dem Vorstand gehört heute zum Thekenteam. Die Mannschaft ist eingespielt. Reiner Fischer schließt das Fass an. Dann zapft er das erste Pils. „Ich hole gleich noch mal ein zweites Fass aus der Kühlung, nicht dass wir nachher auf dem Trockenen sitzen“, sagt der 75-Jährige.
Eine Stunde vor dem Auftritt
Mittlerweile ist Tutty Tran eingetroffen. Er begrüßt René Terlinden und spricht mit ihm über die passende Beleuchtung. Der Haustechniker schaltet die großen Strahler aus, nur die Spots erzeugen noch ein blaues Licht. „Das ist perfekt“, sagt Tutty Tran. Es ist noch eine Stunde bis zu seinem Auftritt. Während die ersten Gäste den Saal betreten, verschwindet Tutty Tran in den Backstage-Bereich. Der Berliner kramt einen Zettel hervor und liest sich Stichpunkte für seinen Auftritt durch. Er steht dabei in einem Raum, in dem es von Stars nur so wimmelt.
An den Wänden hängen Fotos von früheren Steinhof-Veranstaltungen. David Knopfler, Mitgründer der Dire Straits, ist zu sehen. Rocksängerin Doro Pesch schreit auf einem Bild ins Mikrofon. Und Liedermacher Stefan Stoppok spielt seine Gitarre. Dagmar Kessel würde gerne noch das Foto einer Legende an die Wand hängen. „Mein Wunsch wäre, einmal Reinhard Mey im Steinhof zu sehen“, sagt sie. „Aber für so eine Größe sind wir zu klein.“
„Ich denke auch besonders gerne an unsere Benefizveranstaltungen zurück.“
Bei Konzerten mit Stehbereich ist der Saal mit 900 Besuchern ausverkauft. Für Sitzplatzveranstaltungen stellen die Hausmeister bis zu 500 Stühle auf. Tutty Tran wollen heute rund 200 Gäste sehen – überwiegend sind es Jugendliche und junge Erwachsene. Viele von ihnen tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Hai dai mau“. So heißt das aktuelle Programm des Comedians.
Pünktlich um 20 Uhr betritt der Star des Abends die Bühne. Tutty Tran macht auch sofort den ersten Gag. Dagmar Kessel und Alexandra Jockel haben am Vorstandstisch Platz genommen. Sie machen nun eine kurze Pause – und genießen das Programm.