Vom Karrenrad zur feuerfesten Spezialtür
Über Karsten Vogts Schreibtisch hängen drei Kunstdrucke von M. C. Escher. Der 1972 verstorbene Grafiker aus den Niederlanden ist bekannt für die Darstellung unmöglicher Szenerien. Dazu gehört etwa sein „Wasserfall“, bei dem sich das Wasser auch im Zickzack bergauf schlängelt. „Ich mag das Technische in seinen Bildern und das von ihm benutzte Mittel der Perspektive“, erklärt Vogt.
Ursprünge in Friemersheim
Auch in Vogts Firma war es gefragt, ständig neue Blickwinkel einzunehmen. Der 53-Jährige ist Geschäftsführer der Bongardt und Vogt GmbH. Das Familienunternehmen hat seine Ursprünge in den 1930er-Jahren. Damals führte Karsten Vogts Urgroßvater Reinhard Bongardt in Friemersheim eine Schmiede. Auf einem Hinterhof in der Nähe der damaligen Rheingold-Brauerei stellte er Beschläge für Karrenräder her.
Mittlerweile befindet sich der Firmensitz in Rheinhausen an der Hochstraße. Karsten Vogt verdient sein Geld in erster Linie mit der Fertigung von feuerfesten Spezialtüren, die er mit der Langen Feuerungsbau GmbH vertreibt. Die Produkte kommen etwa in Müllverbrennungsanlagen oder Kraftwerken zum Einsatz. Kunden aus Polen und der Ukraine, aber auch aus Südafrika und Australien setzen auf Qualität aus Rheinhausen.
Die Bandbreite der Türen ist groß. Es gibt rund 40 unterschiedliche Modelle. So misst die kleinste Variante 135 mal 135 Millimeter und wiegt gerade einmal fünf Kilogramm. „Die können wir bequem per Post verschicken“, sagt Karsten Vogt. Die kleine Schauöffnung ermöglicht einen Kontrollblick in den Kessel der Industrieanlage. Aber auch Einsteigetüren gehören zur Produktpalette. Durch sie gelangt ein Arbeiter in den Kessel. Solche Türen messen bis zu 1,80 mal 1,50 Meter und wiegen 750 Kilogramm.
Chance gesucht und gefunden
2020 stieg Karsten Vogt ins Spezialtüren-Geschäft ein. Damals übernahm er mit seiner Frau Anja die Langen Feuerungsbau GmbH aus dem rheinischen Burscheid. Der langjährige Inhaber war kurz zuvor verstorben, seine Tochter suchte einen Käufer und fand ihn im Duisburger Westen. Karsten Vogt wollte in der Corona-Krise investieren.
„Über Logport, die Autobahnen und den Flughafen Düsseldorf sind wir sehr gut ans Verkehrsnetz angebunden.“
Das Unternehmen aus Burscheid passte in sein Konzept. „Unsere Lage bietet natürlich große Vorteile“, sagt Karsten Vogt. „Über Logport, die Autobahnen und den Flughafen Düsseldorf sind wir sehr gut ans Verkehrsnetz angebunden.“
Zudem stehen in Rheinhausen hochmoderne Maschinen – vom CNC-Tischbohrwerk bis zur 3D-Wasserstrahlschneideanlage. Diese bedienen seine Schlosser und Industriemechaniker. Zusammen mit seiner Frau Anja Vogt beschäftigt Karsten Vogt zehn Mitarbeiter. Es ist zwar ein kleines Team. „Dafür sind wir sehr schlagkräftig“, betont der Geschäftsführer. Er ist auch kein Chef, der nur vor dem Computer hockt und E-Mails schreibt. Karsten Vogt zieht sich häufig den Blaumann über und packt in der Werkstatt mit an. „Das brauche ich zum Ausgleich“, sagt der Rheinhauser.
In seiner Familie ging es immer ums Anpacken – und um Mut zur Veränderung. So siedelte sich Vogts Urgroßvater nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Krupp-Gelände in Rheinhausen an. Reinhard Bongardt fertigte für den Großkonzern Rutschen, Treppen, Geländer und Arbeitsbühnen. 1954 zog das Unternehmen an den heutigen Standort. Reinhard Bongardt bekam Unterstützung durch seinen Sohn Otto, der frisch von der Technikerschule kam.
Die beiden entdeckten eine neue Sparte für sich und schweißten Öltanks aus Stahl. Das Geschäft brummte. Mehr als 14.000 Tanks fertigte die Firma Reinhard Bongardt und Sohn für Kunden aus Deutschland und den Benelux-Staaten. „Doch dann hat Kunststoff den Stahl abgelöst und es war für die Familie an der Zeit, sich was Neues zu suchen“, erzählt Karsten Vogt. So kam es 1975 zum nächsten Umbruch: Rosemarie Vogt, die Enkelin des Firmengründers, war mit ihrem Mann Burkhard Vogt ins Unternehmen eingestiegen.
„Jeder Kunde hat einen anderen Bedarf und daraufhin passen wir die Produkte an.“
Die Familie kaufte damals ein Tischbohrwerk, um Teile für Industriekühler anfertigen zu können. Diese Investition sollte sich auszahlen. Die Komponenten aus Duisburg waren gefragt und kamen in Dieselmotoren für Schiffe zum Einsatz. Karsten Vogt packte schon als Schüler mit an im elterlichen Unternehmen. Er ging aufs Krupp-Gymnasium, wollte sein Abitur bauen. „Doch wegen Latein bin ich hängengeblieben“, erzählt Vogt.
Er schmiss die Schule und ging mit 16 bei Krupp in die Lehre. Damals befand sich der Konzern schon in einer großen Krise – das Aus für den Standort in Rheinhausen drohte. Karsten Vogt streikte mit für den Erhalt des Stahlwerks. Ohne Erfolg. „Ich habe die Lehrwerkstatt damals mit abgeschlossen“, sagt er. Zuvor beendete Vogt seine Ausbildung zum Maschinenschlosser. Er hatte aber noch lange nicht ausgelernt: Auf die bestandene Meisterprüfung im Bereich Metallbau packte Karsten Vogt noch den Betriebswirt drauf. 1996 stieg er dann in die Geschäftsführung mit ein. Damals erhielt die Firma ihren heute noch gültigen Namen. Die Bongardt und Vogt GmbH deckt das ganze Spektrum im Apparate-, Maschinen- und Stahlbau ab. Die Mitarbeiter schweißen, fräsen, bohren oder sägen Elemente etwa für Kühler, Windkrafträder oder Walzanlagen. Doch die Corona-Krise sorgte für einen Einbruch bei den Aufträgen und einen Umsatzrückgang.
Karsten Vogt beschloss, das Leistungsangebot zu erweitern, und übernahm das Traditionsunternehmen aus Burscheid. „Wir haben neben unserer guten Anbindung und den passenden Maschinen auch noch das nötige Know-how“, sagt der Chef. Letzteres bringen Mitarbeiter wie Patrick Nolte mit. Der 57-Jährige ist bereits seit 30 Jahren an der Hochstraße beschäftigt. Er steht gerade in der Werkshalle und bedient das CNC-Bohrwerk. Nolte bohrt zwei Löcher in eine Spezialtür, damit dort später Scharnierbügel befestigt werden können.
Danach macht der Industriemechaniker eine kurze Pause und nimmt sich Zeit, um über seinen Arbeitsalltag zu reden. Wobei: Einen wirklichen Alltag gibt es im Spezialtüren- Geschäft nicht. „Jeder Kunde hat einen anderen Bedarf und daraufhin passen wir die Produkte an“, sagt Nolte. Die Formen aus grauem Gusseisen oder Edelstahl müssen Temperaturen von bis zu 1.300 Grad Celsius aushalten. Das gilt ebenso für die eingebauten Gläser. „Ich kann die Materialien so kombinieren, dass die Türen auch bei Über- und Unterdruck sicher standhalten“, erklärt Nolte.
Es kommt Tag für Tag darauf an, neue Lösungen zu finden. Das gilt für den Bau von feuerfesten Spezialtüren. Das passt aber auch zur bewegten Geschichte des Familienunternehmens aus Rheinhausen.