Läuft wie geschmiert
Natürlich hofft man auf einen Tipp fürs Heimwerken. Wenn man schon mal bei Caramba Chemie GmbH & Co. KG in Wanheimerort zu Gast ist, bei der Firma mit der roten Ellipse und dem weißen Schriftzug im Logo. Caramba – das ist der Inbegriff des Rostlösers, nicht nur für Duisburg. Die Firma hat es geschafft, ihren Namen mit einem Produkt gleichzusetzen. Wie Uhu. Mit dem Unterschied, dass Uhu fürs Kleben steht und man Caramba mit Lösen verbindet. Von Schrauben, von Schmutz auf Maschinenteilen oder auf dem Autolack zum Beispiel.
Ganz wichtig für die neue Ausrichtung des Unternehmens: Es geht Caramba um Lösungen für Problemen, die die Kunden aus aller Welt haben. „Ob schlimm, ob schlimmer, Caramba hilft immer“, reimte man früher. Heute interpretieren die Wanheimerorter den Satz etwas anders. Die Mitarbeiter wollen dazu beitragen, Oberflächenbehandlungs-Prozesse zum Beispiel in der Automobil- oder Maschinenbauindustrie zu verbessern.
Stephanie Wedehase, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens mit 86 Mitarbeitern am Standort Duisburg kümmert, gibt freilich gern zu: Auch wenn es später im Gespräch um komplexe Produktionsabläufe geht, die Caramba optimieren soll, wird erst einmal über die Dose mit dem Rostlöser gesprochen. Die Marke verhilft zu einem Vertrauensvorschuss. Jeder kennt sie. Jeder hat eine Heimwerker-Erfahrung damit.
Und richtig, es dauert keine 20 Minuten, da hat einem Segmentmanager Patrick Maione verraten, dass Caramba Super Plus genau das ist, was eine Fahrradkette gelenkig hält. Und noch mal fünf Minuten später hat Kollege Hauke Schulz die Geschichte erzählt, wie der Eisrostlöser eine quasi unlösbare Schraube wieder beweglich machte. Wie selbstverständlich hat Patrick Maione dann eine Familiengeschichte mit der bekannten Marke nachgeschoben. Sein Vater, der ebenfalls für Caramba arbeitet, habe in seiner Freizeit immer an einem Ford Taunus geschraubt. Da klang dem Sohn bereits früh der Werbespruch „Da hilft nur Caramba“ in den Ohren.
Aber eigentlich und vordringlich wollen Stephanie Wedehase, Patrick Maione und Hauke Schulz ganz andere Geschichten erzählen als die immer gleichen von den verrosteten Schrauben und den quietschenden Ketten. Überraschendes haben sie in petto. Wer hätte gedacht, dass bei der Fahrt durch eine Waschstraße Caramba-Produkte den Schmutz vom Lack lösen? Das Unternehmen ist in diesem Bereich Marktführer. Bei der Fertigung von Handydisplays nutzen die Hersteller in Asien ebenfalls Caramba-Reiniger. Die Effizienz von Reinigungsverfahren, etwa im Gelenkwellenbau, wird durch auf die jeweiligen Prozesse passenden Caramba-Produkte gesteigert. Vor allem aber geht es beim Besuch um eins: um den zukunftsweisenden Geist, der die beiden Geschäftsführer Dr. Bernd Weyershausen und Dr. Wolfgang Müller ebenso beseelt wie die Frauen und Männer, die die Spraydosen füllen. Neue Ideen zu entwickeln, den Rost der Vergangenheit zu lösen und kreativ zu sein.
In Zukunft will man in Duisburg nicht nur produzieren, sondern vor allem Lösungen entwickeln, die die Wirtschaftlichkeit von Oberflächenbehandlungsprozessen erhöhen. Hauke Schulz nennt das den Caramba-Effekt. Gemeint ist, dass sich die Lösung sauber für den Kunden rechnet. Sein Kollege Patrick Maione gibt ein Beispiel: „Für den Betrieb von Autowaschanlagen können wir dazu beitragen, dass weniger Frischwasser benötigt wird. Das zahlt sich doppelt aus. Es schont nicht nur die Umwelt, sondern Wasser ist ein entscheidender Kostenfaktor.“
Der Rundgang durchs Unternehmen führt ganz passend zunächst ins Labor. Die Personalstärke der Abteilung Forschung und Entwicklung soll sich schon bald nahezu verdoppeln. Dr. Till Böckermann ist einer von den Neuen. Seit zwei Monaten ist der Chemiker Teil des Teams. Genau dieses Mannschaftsspiel habe ihn veranlasst, eine Bewerbung zu schicken. Deshalb habe er sich über die Zusage gefreut: „Es wächst und verändert sich hier. Mir gefällt, dass ich nicht nur eine Laborratte bin, sondern auch Kontakt mit dem Kunden, dem Vertrieb und dem Einkauf habe.“
Außerdem ist er Herr über eine ziemlich coole Prüfanlage, und zwar für Scheibenwaschmittel. Nur drei davon gibt es in Deutschland. Eine bei Caramba in Wanheimerort. Auf die ausgebaute Windschutzscheibe eines Porsche Cayenne werden die Reinigungsmittel aufgebracht und dann mit den Wischern verteilt. Nicht länger als zwei bis drei Bewegungen sollten die Gummiblätter für den perfekten Durchblick brauchen. Weniger anschaulich, aber ebenfalls beeindruckend: Till Böckermann und seine Kollegen forschen und entwickeln an über 3.000 Rezepturen für Caramba-Produkte. Nicht alle sind sofort als made in Duisburg erkennbar. Große Automobilhersteller vertreiben die Pflegeserien mit eigener Mischung unter ihrem Namen.
Vier Bereiche beschreiben die Caramba-Welt: Wash — und damit Produkte und Lösungen für die professionelle Reinigung von Autos, Tankwagen, Containern bis hin zu Zügen und Flugzeugen; Automotive — Spezialchemie für Oberflächenbehandlungs-Prozesse in der Automobilproduktion; Industrie — hier wird die Reinigung von Bauteilen, Destillationskolonnen in Raffinerien oder Handydisplays mittels chemischer Spezialprodukte optimiert, sowie die Produkte für Konsumenten verbessert, die im Baumarkt nach der roten Ellipse schauen.
Über 400 sind es vom Lösungsmittel für Etiketten bis zum Pflegemittel für Armaturenbretter. Man glaub es kaum, aber in der Bilanz macht gerade das allseits bekannte Lösemittel von Schrauben den kleinsten Anteil aus.
Dabei hat damit alles angefangen, als Max Elb, der später Kommerzienrat wurde, 1903 Caramba in Dresden gründete. Seine Geschäftsidee war unter anderem das graphithaltige Kriechöl. Im Zeitalter der Industrialisierung liefen die Produkte wie geschmiert. Verbindungen nach Duisburg gab es schon früh über die Beteiligung an den Rüttgerswerken, die als Chemieunternehmen in Wanheimerort eine Fabrik hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg verließ der Unternehmer den russisch besetzten Teil Deutschlands und siedelte sich in Duisburg-Wanheimort an. Auf der Wanheimer Straße, auf der sich die Fabriken wie Perlen aufreihten. Bereits damals war man innovativ: Caramba nutzte und patentierte ein Propan-Butan-Gemisch als Treibmittel für Sprühdosen. FCKW – das mit dem Ozonloch – brauchte man nicht.
Die roten Backsteingebäude, in die sich das Labor, die Produktionsstätten und Abfülleinrichtungen drängen, geben Zeugnis davon: Das Unternehmen mit ausgesprochenem Zukunftsblick hat Tradition und kann 2018 auf 70 Jahre in Duisburg zurückschauen. Über 1.000 Mitarbeiter weltweit hat die Caramba-Chemie-Gruppe inzwischen. Produziert wird nicht allein in Duisburg, sondern auch in Bremen und Bad Kreuznach. Im Jahr 2007 erfolgte die Übernahme durch die Berner Group.
Freilich spannender ist der Blick auf das aktuelle Geschäftsjahr. Caramba hat das Grundstück in Wanheimerort gekauft und plant eine Erweiterung der Handlungsfläche. Die Geschäftsleitung hat damit Treue zum Standort signalisiert: Wer baut, will bleiben. Zugleich zielt man auf eine gute Zukunft. Wer baut, will wachsen. Ein Umsatzplus von 26 Prozent im Vorjahr untermauert das. Die Botschaft ist auch bei den Mitarbeitern sehr positiv aufgenommen worden. Lagerist Oliver Bongart, der nun eigentlich nichts mit Rezepturen, Prozessgestaltung und Herstellung zu tun hat, teilt den Enthusiasmus seiner Kollegen. „Seit 16 Jahren arbeite ich für Caramba, und wenn ich mal in Rente gehe, will ich, dass der Laden weiter brummt“, sagt er geradeheraus. Klar bleibt er schon mal länger, wenn sich der Lkw eines Kunden verspätet. Ohne Frage hat er im Blick, wie sich die 23.000 Stellplätze in seinem Hochregallager optimal nutzen lassen.
„Wir wollen wachsen und wir werden wachsen. Da kann es hier am Standort eng werden“, sagt er. Und schon spricht er über mögliche Lösungen für das Problem. Irgendwie gewinnt man den Eindruck: Das mit dem „Caramba hilft immer“ hat sich an der Wanheimer Straße ziemlich herumgesprochen.