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Von Jamaika bis zur Endzeit

Wer Familie Scheuten in ihrem Klein­garten besuchen will, muss an Bob Marley vorbei. am Eingang zur Parzelle steht der Mast, an dem eine Jamaikafahne weht. Und auf der Rückseite prangt das Konterfei des berühmtesten Sohns der Karibikinsel: Reggae-legende Bob Marley. ansonsten dominiert Schwarz-Rot-Gold im Kleingar­tenverein Schönnenbeckshof. aber andere Pächter haben türkische, marokkanische oder russische Fahnen aufgezogen. Über den 82 Parzellen wehen Fahnen aus aller Herren Länder. Marc Scheuten (Foto links) wollte es mit seiner Jamaikaflagge eine Nummer extravaganter haben.

Auch ansonsten ist die Parzelle 22 kei­neswegs ein 08/15-Kleingarten: Den Gar­tenschlauch wickelt Marc Scheuten um eine ausrangierte Mercedes-Felge. Vor der Laube wässert er eine kleine Palme. Und demnächst will die Familie neben Sauer­kirschen und Äpfeln auch Zitrusfrüchte im eigenen Garten ernten. Mediterranes und karibisches Flair in Obermarxloh. „Wir wollten ein paar Dinge anders machen“, erzählt der 39 Jahre alte Fahrlehrer.

2014 entschieden sich Marc Scheuten und Ehefrau Nad­ja, das rund 300 Quadratmeter große Grundstück auf der Kleingartenanlage zu pachten. Tochter Maxi war damals drei Jahre alt, die Geburt von Nele stand kurz bevor. Und da die Eltern die Wochenenden mit ihren Kindern im Gar­ten verbringen wollten, machten sie sich auf die Suche nach einer Parzelle. Sie fanden ein Grundstück auf dem Gelände des Kleingartenvereins Schönnenbeckshof.

6.330 Kleingärten in 106 Vereinen

Pächter wie Familie Scheuten sehen sie gerne im Ver­band der Duisburger Kleingartenvereine. „Die Zahl der Vereine und der Mitglieder ist seit Jahren konstant. al­lerdings werden die Kleingärtner immer älter. Da freut es uns natürlich, wenn junge Familien zu uns kommen“, sagt Turgay Diker. Der 58-Jährige ist Vorsitzender des Verbandes, dem 106 Vereine mit 6.330 Kleingärten an­geschlossen sind. Diker kennt die ganzen Klischees, die es über sein Hobby gibt. Kleingärten gelten als Hoch­burgen des Spießertums. Wer noch nie eine Anlage be­treten hat, dem schwirren oft die Standardbilder durch den Kopf. Von Rentnern im Feinripp-Unterhemd. Von hübsch-hässlichen Gartenzwergen. Und von strengen Regelhütern mit Notizblock. Für Diker entsprechen diese Stereo­type nicht der Realität. „Wir Kleingärtner setzen uns für den Erhalt einer menschenwürdigen Umwelt ein und wollen die heimische Pflanzen- und Artenvielfalt erhalten. Um das zu erreichen, muss man natürlich Regeln beachten“, sagt er.

Vereinslandschaft unterliegt Vorschriften

So wie die Kleingärtner Regeln unterliegen, unterliegt die gesamte Vereinslandschaft gewissen Vorschriften: „Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammen­geschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat“, lautet Paragraph 2 des deutschen Vereinsrechts. in Duisburg haben sich Bürger demnach aktuell in rund 2.000 Vereinen zusam­mengeschlossen. Sie treiben in rund 440 Vereinen Sport, singen in 34 Chören, schießen und feiern in 14 Schützenbruderschaften.

Jeder dieser Vereine hat auch einen Vorsitzenden. Beim Klein­gartenverein Schönnenbeckshof heißt er Hans Sassenberg. Der Mann kennt jeden der 82 Pächter mit Namen und Lebensgeschichte. Bei Familie Bessling mit Vater Markus, Mutter Nicole und den Töchtern Michelle, annalena und Finja kehrt Hans Sassenberg ein. Die Frau des Gartenhauses stellt dem Gast ein Glas Wasser hin. Sie schwatzen über die anstehende Ernte der Zucchini, Berufswünsche der Töchter und über Hun­dedame Miley, die unter dem Gartentisch schläft. Natürlich ist man per Du. „Tschüss, Hans. Schönes Wochenende wünsche ich dir noch“, sagt Nicole Bessling, während der Vorsitzende das Gartentor schließt.

Gartenarbeit verbindet

Hans Sassenberg erwidert die Wünsche und setzt seinen Rundgang durch die Anlage fort. Er sieht Familie Scheuten, die im Garten die Sonne genießt. auch mit Marc Scheuten hält der Vorsitzende einen kurzen Plausch. Die beiden Männer könnten auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein. auf der einen Seite des Gartenzauns steht Hans Sassenberg in einem biederen Hemd. auf der anderen Seite steht Marc Scheuten, dessen Körper mit Tattoos übersät ist. Trotz der optischen Unterschiede verste­hen sich die Männer. Gartenarbeit verbindet. Wobei: Für das Ehe­paar Scheuten gilt das nicht immer.

„Der obst- und Gemüsegarten ist mein Bereich“, sagt Nadja Scheuten und grinst. „Seitdem mein Mann mal versehentlich die Erdbeerpflanzen rausgerissen hat, darf er dort nicht mehr arbei­ten.“ Marc Scheuten kann es verkraften. Er kümmert sich lieber um die Gestaltung und Pflege des Kleingartens. Mit Sicherheit hat der Familienvater schon eine Idee, was zur Jamaikafahne, der Palme und den Zitrusfrüchten noch passen könnte. Es gibt auch Duisburger, denen ein Ver­ein zu wenig ist. So wie Maurice Schmidt. Er zahlt in zwei Bruderschaften seine Mit­gliedsbeiträge. Und deshalb ist das Be­zirksschützenfest in Großenbaum für ihn ein Pflichttermin. Männer und Frauen in Uniform pilgern am Freitagabend zum Schützenplatz an der Saarner Straße. Vor dem Schießstand haben sich sieben Könige aus dem Duisburger Süden versammelt. ihr Ziel: der hölzerne Vogelrumpf. Wer ihn von der Stange schießt, darf sich einen weite­ren Orden ans Revers heften und den Titel Bezirkskönig tragen.

Zweimaliger Bezirksprinz

Maurice Schmidt ist immerhin zweimali­ger Bezirksprinz. Sein Opa begeisterte ihn früh für das Hobby. „Schon in der Grund­schule bin ich gerne zu Schützenfesten gegangen“, sagt der 23-Jährige. Und als er alt genug war, nahm er an Schießwett­bewerben teil. Mit Erfolg. Maurice Schmidt zeigt auf einen Orden. „Den habe ich 2009 bekommen, als ich Bezirksprinz wurde“, sagt er. Damals holte er den Titel als Buch­holzer Jungschütze. Über seinen Freund Marc Rettinghausen kam er später in Kon­takt mit der Bruderschaft aus Huckingen. Maurice Schmidt trat auch dort den Jung­schützen bei – und sicherte sich 2014 sei­nen zweiten Titel als Bezirksprinz. Seinen Bekanntheitsgrad hat der Erfolg anschei­nend sichtlich gesteigert. Maurice Schmidt kann in Großenbaum keine drei Meter über den Schützenplatz laufen, ohne angespro­chen zu werden. Die Kameraden aus Serm bewundern seine Jacke mit den Abzeichen, mit den Mündelheimern plaudert er über das Bezirksschützenfest und mit den Rahmern zischt er ein Pils. Es ist ein Festtag für den Jungschützen.

Für Maurice Schmidt besteht die Mitglied­schaft in einer Bruderschaft aber nicht nur daraus, auf Holzvögel zu schießen, Orden zu sammeln und Bier zu trinken. Für ihn geht es darum, Werte zu vermitteln. „in den Vereinen steht soziales Engagement im Vordergrund. Wir haben auch karita­tive Aktionen, um beispielsweise Geld für ein Hospiz sammeln“, erklärt er. Maurice Schmidt ist auch kein Mensch, der nur die eigenen Vereine im Kopf hat. Er tauscht sich gerne mit befreundeten Schützen aus, fährt zum Bundestag der Jungschüt­zen nach Köln. Um an allen Veranstaltun­gen teilzunehmen, braucht er allerdings ein gutes Zeitmanagement. Er arbeitet als Koch, muss daher oft an Wochenen­den und Feiertagen arbeiten. „ich verpla­ne meine Urlaubstage auch erst, wenn die Termine für das neue Schützenjahr ste­hen. Die sind mir wichtiger als irgendwel­che reisen“, sagt der Buchholzer.

Während Maurice Schmidt am Wochen­ende gerne seine grüne Schützenuniform trägt, streift Alexander Dohr jeden Sonn­tag ein grünes T-Shirt über. Wenn er mit seinem Verein im Meidericher Stadtpark Sport treibt, stehen Beobachter oft ratlos am Rand. Die Sportart Jugger, die auf ei­nem gleichnamigen Endzeitfilm mit Rutger Hauer aus den 1980er Jahren basiert, ist schließlich weit weg vom Mainstream. Alexander Gohr war früher Basketballer. ir­gendwann besuchte Freunde von ihm eine rollenspielmesse. Sie sahen dort einen Demonstration-Wettkampf und schwärmten bei der Rückkehr von dieser Sportart, die wie sie sagen Elemente aus dem Fechten und ringen vereint. „Die wollten wir dann selber ausprobieren“, erzählt Alexander Gohr. Sie lasen sich in die Regeln ein, such­ten nach einem Spielort und bauten Sport­geräte – die sogenannten Pompfen.

Vereinsname auf Lateinisch

2006 spielten sie an den rheinwiesen das erste Mal Jugger. Die Duisburger Frauen und Männer fuhren zu Turnieren und ir­gendwann kamen sie auf die Idee, einen richtigen Verein zu gründen. Da die Grup­pe sich gerne mal auf ein Bier traf, sollte das Getränk im Namen auftauchen. „Erst wollten wir uns, das letzte Bier‘ nennen. Doch das war irgendwie zu simpel. Dann kam jemand auf die Idee, das einfach ins lateinische zu übersetzen“, sagt Jugger Benjamin Spanier. Und so steht seit Ende 2009 „Cervisia Ultima e. V.“ im Duisburger Vereinsregister. Die Jugger haben seitdem eine Struktur wie jede Schützenbruder­schaft oder jeder Männergesangsverein. Mit einem Vorsitzenden, einem Stellvertre­ter und einem Kassierer. „Und mit einem Jugendwart“, sagt Jan Osterkamp. Diesen Posten hat er bei „Cervisia Ultima“ inne. Und da zum Sonntagstraining potenzielle Neumitglieder unter 18 Jahren gekommen sind, gibt es für Jan Osterkamp einiges zu tun. Erstmal erklärt er in Grundzügen die regeln. Beim Jugger geht es darum, den Jugg, eine Art Ball, in ein Mal, eine Art Tor, zu versenken. Punkte erzielen kann nur der Läufer. Die anderen vier Teammitglieder gehen mit Sportgeräten wie Stäben, langpompfen oder der Kette aufeinander los und versuchen, den Gegner zu stoppen. Was beim ersten Hinhören martialisch klingt, ist eigentlich ganz harmlos. „Verletzungen passieren meistens nur beim laufen. Dass einer durch eine Pompfe oder die Kette verletzt wird, kommt praktisch nicht vor“, sagt Alexander Gohr. Die Sportgeräte sind immerhin mit Schaumstoff und Klebeband gesichert. Bei allem sportlichen Ehrgeiz steht beim Jugger ohnehin das Fairplay im Vordergrund. „Es ist ja auch so, dass unter den verschiedenen Teams Freundschaften entstanden sind. Und Freunde behandelt man schließlich fair“, sagt der 27-Jährige. Alexander Gohr hat als Jugger mit „Cervisia Ultima“ auch schon einige Turniere gewonnen. Die letzten Erfolge liegen nun länger zurück. Gute Spieler haben Duisburger aus beruflichen Gründen verlassen. 14 aktive Jugger gehören dem Verein aktuell an. als Jugendwart hofft Jan Osterkamp auf Zuwachs. Beim Sonntagstraining kann er immerhin ein paar Anmeldeformulare verteilen. Bald streifen sie sich ein grünes T-Shirt über.

An der Kruppstraße sind hingegen Bade­hose und Bikini Dresscode. Hier hat der Ascd sein 23.000 Quadratmeter großes Klubgelände. 3.000 Mitglieder zählt der amateur-Schwimm-Club Duisburg. Damit gehört er zu den größten der Stadt. im Sommer erholen sich viele Mitglieder am Ufer des Barbarasees. oder sie planschen im Wasser. auch Paul Schüler kommt in seiner Freizeit gerne zum Barbarasee. Die meiste Zeit verbringt der 29-Jährige aber bei Trainingseinheiten im 50-Meter-Becken. Paul Schüler ist Wasserballer und einer der besten Rückraum Spieler in Deutschland. 2004 verließ er seine nord­deutsche Heimat und zog ins Ruhrgebiet.

Zwei Pokalsiege und eine Meisterschaft

Der Wechsel zahlte sich aus. Schüler hol­te mit dem Asad zweimal den Deutschen Pokal. 2013 feierten die Wasserballer aus Duisburg zudem den Meistertitel. Er geriet in den Fokus der Bundestrainer, be­stritt Länderspiele und kam zu Einsätzen bei Weltmeisterschaften. Paul Schüler ist rumgekommen in der Welt, war in Ungarn, China und den USA. Er kommt aber immer wieder gerne zurück nach Wedau, um das Vereinsleben beim Asad zu genießen. Paul Schüler quatscht mit den Jugendspielern, grüßt die Leute aus dem Vorstand und sorgt für Stimmung auf den Mannschafts­abenden.

„Der Asad ist schon ein sehr familiärer Verein. Das spüren auch die Spieler aus dem Bundesliga-Kader. Gerade unser Teamgeist hat uns zuletzt immer Erfolg beschert“, sagt der Wasserballer. Es gibt natürlich Unterschiede zu anderen Sport­vereinen. im Asad-Kader stehen immer mal wieder Legionäre – also Spieler aus dem Ausland. Sportler aus Litauen oder Ungarn sollen das Niveau steigern. „Wir haben aber viele Spieler im Team, die aus der eigenen Jugendabteilung stammen. Das ist in der Bundesliga eher die Ausnahme als die Regel“, sagt Paul Schüler.

In Sachen Trainingsintensität grenzt sich der Asad jedoch vom Gros der Duisburger Sportvereine ab. „in der Vorbereitung trai­nieren wir in der Woche in der Regel sechs bis sieben Mal. Da sind die Einheiten im Kraftraum noch nicht eingerechnet“, sagt Moritz Schenkel. Er ist Torwart beim Asad und hat bereits erfahren, wofür die ganze Schinderei gut sein kann. Der 25-Jährige gehörte auch zu der Mannschaft, die 2013 das Double aus Meisterschaft und Pokal­sieg holte. Dieser Erfolg hat den Bekannt­heitsgrad des Asad gesteigert. Sportfans in anderen Bundesländern wissen seitdem, dass an der Kruppstraße erfolgreich Was­serball gespielt wird. Prominente sind Paul Schüler und Moritz Schenkel in Duisburg aber noch lange nicht. „Wenn ich mal er­zähle, dass ich für den Asad in der Bundes­liga spiele, werde ich oft gefragt: „Was für eine Sportart treibst du denn?“, sagt Moritz Schenkel.

Kilometer 4000

4.000 Kilometer legen die Jugger von „Cervisia Ultima e. V.“ durchschnittlich im Jahr zurück. Nicht auf dem Platz, dafür im Auto und Zug. Der Verein fährt zu Turnieren nach Berlin, Hamburg, Ostwestfalen und ins Saarland. Um sich mit befreundeten Teams auf dem Spielfeld zu duellieren, ist den Juggern kein Weg zu weit.

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