Ein Trainingslager ist kein Erholungsurlaub
Herr Wies, bevor Sie Ihre Karriere als Triathlet begonnen haben, waren Sie Bundesligaspieler im Wasserball. Wie haben Sie die Sportart für sich entdeckt?
Mit 13 Jahren war ich Leistungsschwimmer bei der SGS Münster – und habe bis zu 14 Mal pro Woche trainiert. Trotz des ganzen Aufwandes hat es gerade einmal für eine Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften gereicht. Hinzu kam, dass die Nachwuchsmannschaft meines Vereins damals fast nur aus Mädchen bestand. Deshalb habe ich mich als Einzelsportler einsam gefühlt. Mein Vater hat mir dann vorgeschlagen, mal das Wasserballtraining zu besuchen. Und das hat mir super gefallen. Ich habe bald mit dem Schwimmen aufgehört und mich nur noch auf Wasserball konzentriert.
Wie sind Sie dann in Duisburg gelandet?
Als junger Spieler bin ich zunächst von Münster zu Rote Erde Hamm gewechselt. Der Klub hat mich damit gelockt, in der Bundesliga zu spielen und mich darüber für die Jugendnationalmannschaft zu empfehlen. Der Plan ging auf. Ich hatte als Schüler meine ersten Bundesliga-Einsätze und durfte für Deutschland spielen. 2006 endete meine Zeit in Hamm mit dem Abstieg aus der Bundesliga. Der Duisburger SV 1898 hat mir dann ein Angebot gemacht. Ich bin ins Ruhrgebiet gewechselt und lebe auch heute noch in der Stadt.
Wie blicken Sie heute auf Ihre Wasserballkarriere zurück?
Ich habe schon schmerzhafte Erfahrungen machen müssen. Die Liste meiner Verletzungen reicht von einem Trommelfellriss über Nasenbeinbrüche bis hin zum Labrum- Abriss in der Schulter. Wasserball ist eine harte Sportart. Gut, im Rugby und beim Handball geht es wohl noch härter zur Sache. Aber die positiven Erinnerungen überwiegen. Die Derbys gegen den SV Krefeld 72 waren immer besonders. Und natürlich denke ich gerne zurück an unsere beiden Aufstiege, mit denen wir unsere Abstiege innerhalb eines Jahres korrigieren konnten.
Sven Wies (36) stammt aus Münster. Nach dem Ende seiner Wasserballkarriere konzentriert er sich seit 2017 auf den Triathlon. 2022 folgte der Wechsel in den Profibereich.
Wies’ persönliche Bestzeit auf der Langdistanz liegt bei 8:21:14 Stunden. Damit sicherte er sich im April 2023 Platz 14 beim Ironman Texas. Der Betriebswirt lebt mit seiner Familie im Duisburger Stadtteil Wanheimerort
Und trotzdem war für Sie bereits mit 29 Jahren Schluss mit Wasserball. Warum in einem so jungen Alter?
2015 bin ich zum ersten Mal Vater geworden und trotzdem war ich regelmäßig beim Training. Zugleich habe ich mich über die Teamkollegen geärgert, die gefehlt haben, weil deren Oma zum fünften Mal im Jahr Geburtstag hatte. Für mich war es also an der Zeit, die Karriere zu beenden. Für die Saison 2015/2016 habe ich mich noch einmal überreden lassen, danach war Schluss. Ich hatte damals schon die ersten Erfahrungen als Triathlet gesammelt und wollte die Sportart nun intensiver betreiben. Das Training konnte ich mir frei einteilen, das war als Familienvater ganz angenehm.
Mit dem Leistungsschwimmen haben Sie damals aufgehört, weil Sie nicht mehr ein Einzelkämpfer sein wollten. Dann sind Sie den umgekehrten Weg gegangen. Haben Sie den Teamsport schnell vermisst?
Ich bin noch Mannschaftssportler und trete für das Triathlon-Team des DSV 98 bei Liga-Wettkämpfen an. Aber klar: Auf der Strecke bin ich in der Regel alleine unterwegs. Gerade in den Wintermonaten ist es immer eine Herausforderung, sich für das Training zu motivieren. Ich sehne immer den Januar herbei. Dann geht es ins Trainingslager mit anderen Triathleten. Zuletzt waren wir auf Fuerteventura.
Wenn es in Deutschland kalt ist, können Sie die Sonne auf der Kanareninsel genießen. Kommt da Neid auf?
Mir haben schon oft Bekannte gesagt, dass sie mich gerne begleiten würden. Was die aber vergessen: Ein Trainingslager ist kein Erholungsurlaub. Um 6.30 Uhr beginnt der Tag mit den ersten Einheiten. Da ist nichts mit Rumliegen am Pool. Und außerdem bekomme ich so ein Trainingslager auch nicht geschenkt. Ich muss alles über Sponsoreneinnahmen finanzieren. Aber ich möchte mich nicht beklagen: Als Triathlet habe ich so viele schöne Erfahrungen gemacht.
Was war das Highlight?
Ganz klar der Start bei der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii. 2018 konnte ich mich für die Austragung im Jahr 2019 qualifizieren. Unser zweites Kind war damals ein Jahr alt – und so haben wir das Event mit einem Familienurlaub verbunden. Aber auch da gab es nichts geschenkt. Neben den Flügen und der Unterkunft musste ich auch noch 1.100 Euro an Startgeld zahlen. Das war es aber wert. Und das Ergebnis hat auch gestimmt. Ich war Fünfter in meiner Altersklasse und Elfter aller Altersklasse- Athleten.
Was sind Ihre nächsten Ziele?
Ich möchte mich in der Weltrangliste weiter verbessern. Aktuell sind die Top 200 in Sichtweite. Mein langfristiges Ziel ist ein Platz unter den besten 30. Und selbstverständlich möchte ich nochmal nach Hawaii. Mittlerweile finden die Ironman-Weltmeisterschaften der Männer dort nur noch alle zwei Jahre statt. 2024 ist es wieder so weit, 2026 hätte ich noch eine Chance und dann wäre ich vermutlich zu alt.
Was hat sich am Triathleten im Vergleich zum Wasserballer am meisten verändert?
Auf jeden Fall die Statur. Ich habe 20 Kilogramm abgenommen. Ein Wasserballer braucht Masse, die für einen Triathleten hinderlich ist. Und trotzdem bringe ich heute noch mehr auf die Waage als viele meiner Kontrahenten. Da höre ich oft den Spruch: „Da kommt das Muskelpaket wieder an.“