Ab in den Süden
Hemmungen hat Mischa keine. Fröhlich summt mein kleiner Sohn auf seinem Fahrradsitz vor sich hin, während wir über den Waldfriedhof in Wanheimerort radeln. Auf den ersten Blick mag es ein ungewöhnlicher Start für eine Familienradtour durch den Duisburger Süden sein, aber wenn es nach dem Friedhofsgärtner Oliver Winter geht, dürfte es auf dem naturnahen Gelände noch viel mehr Leben geben.
Mehr als nur die Sechs-Seen-Platte
Uralte Buchen beschatten die Wege, hier und da blüht schon der Rhododendron. Natürlich lockt vor allem die Sechs-Seen- Platte als grünes Naherholungsgebiet in den Duisburger Süden, aber auch der Waldcharakter des größten Friedhofs der Stadt, einst Teil des mittelalterlichen Stadtwalds, ist unverkennbar. Beleuchtete Wege, spielende Kinder, ein Café – Oliver Winter kann sich für die weitläufigen Wege und großen Rasenflächen so einiges vorstellen. Man habe sogar einmal angedacht, hier einen Spielplatz anzulegen, erzählt Klaus Keulen, der für die Wirtschaftsbetriebe Besucherführungen auf dem Friedhof leitet.
„In vielen Städten sind Friedhöfe die größten inerstädtischen Parks.“
Schon jetzt wird hier gewalkt, gejoggt, Mütter lassen ihre kleinen Kinder laufen: Eine Umfrage der Wirtschaftsbetriebe hat ergeben, dass zwei Drittel der Besucher zur Erholung auf den Friedhof kommen. „In vielen Städten sind Friedhöfe die größten innerstädtischen Parks“, weiß Winter. „Das viele Grün beruhigt das Auge, die Bäume sorgen für einen hohen Sauerstoffgehalt und im Sommer ist es schön kühl – das alles schafft einen tollen Erholungswert.“
Wir radeln an den Baumwahlgrabstätten mit ihren kleinen Findlingen vorbei, an den jüdischen und muslimischen Grabfeldern, laufen über die geschwungenen Kieswege des Memoriam-Gartens. So wie sich unsere Bestattungskultur weg vom klassischen Reihengrab verändert, so verändert sich auch der Friedhof und es gibt immer mehr zu entdecken.
Nah am Wasser gebaut
Der Buchenwald nebenan dagegen ist noch immer der alte, wenn man einmal von dem frischen, satten Grün absieht, das links und rechts am Wegesrand sprießt. Wir radeln zum Sportpark in Wedau, im Touristikjargon würde man wohl sagen: der perfekte Ort für Aktivurlauber. Ob mit Kajak oder SUP auf dem Wasser, beim Training auf dem Trimm- Dich-Pfad oder im Hochseilgarten – hier können sich Groß und Klein ordentlich austoben. Für Mischa mit seinen anderthalb Jahren ist der Wasseraktionsspielplatz am Bertasee genau das Richtige.
Das große Piratenschiff zum Klettern und Balancieren ist noch etwas zu schwierig und das kleine, wacklige Floß, mit dem man sich an einem Seil über den Teich ziehen kann, flößt ihm im Gegensatz zu den älteren Kindern noch gehörigen Respekt ein. Aber die Wasserlandschaft ist unschlagbar, da können nicht einmal die Gänse mithalten. Wo sich der Bach in kleinen Kaskaden auf den Sand ergießt, steht Mischa sofort mittendrin – knietief, bewaffnet mit seinem Schäufelchen, jauchzend vor Glück. Besser ist die Ostsee auch nicht.
Zur Belohnung ein Eis
Die einzige Chance den Nachwuchs vom seeligen Matschen und Spritzen in der Sonne wegzulocken, ist die Aussicht auf ein Eis. Also radeln wir ein paar Minuten an der Regattabahn entlang direkt zur Eismanufaktur RheinEis. Mischa drückt sich an der Eistheke natürlich sofort die Nase platt. Neben Klassikern wie Schokolade, Vanille und Stracciatella verkaufen Linda Karsten und Jonas Simon hier auch vegane Alternativen zum Milcheis und ausgefallene Sorten wie Tonkabohne und Karamell-Sesam.
Durch ein kleines Fenster kann man den beiden Betriebswirten sogar beim Eismachen zusehen. „Eigentlich waren wir selber nur Kunden“, erzählt Linda Karsten. Und so begeistert, dass sie nicht mit ansehen konnten, wie der Vorbesitzer das Eiscafé schließt. „Also haben wir den Laden letztes Jahr übernommen. Wir waren uns sicher, dass das Produkt auch in der Krise funktioniert.“ Schmecken tut es jedenfalls. Mischa schleckt nicht nur konzentriert die Mango weg, sondern fällt auch gleich noch über Mamas Lakritzeis her.
Den Lieferservice und das Eis im Pappbecher für die Kühltruhe Zuhause ergänzen die RheinEis-Macher in diesem Sommer noch durch ein Retro-Eisfahrrad, das die kalten Leckereien direkt an der Sechs-Seen-Platte verkauft. Schließlich ist es bis zu dem Naturparadies mit dem Rad nur ein Katzensprung. Unser Ziel ist der Abenteuerspielplatz zwischen Wambach und Böllertsee.
Mitten im Wald warten Kletternetze, Tunnelrutschen und Wackelbrücken, im Bereich am Seeufer transportieren Pumpen und Schrauben das Wasser von Matschbecken zu Matschbecken. Mischa klettert an der Kleinkindrutsche eifrig drauflos, baggert auf dem Wasserspielplatz, bestaunt die älteren Kinder, die mit Rennwagengeräuschen die große Röhrenrutsche heruntersausen. Erst auf dem Rückweg, als sich auf den Seen schon die Abendsonne spiegelt, wird der Kleine auffallend ruhig. So ein Urlaubstag Zuhause kann eben wirklich anstrengend sein.