Begegnungen auf Augenhöhe
Wenn Mariotte Hillebrand aus dem Haus geht, steht sie nach wenigen Minuten mitten in Marxloh. Die Ordensschwester hat sich bewusst für ein Leben in diesem Teil der Stadt entschieden. „Wir finden es wichtig, Präsenz in Stadtteilen zu zeigen, aus denen viele Menschen wegziehen wollen“, sagt die 42-Jährige. „Auch Jesus hat sich denen zugehörig gefühlt, die am Rande der Gesellschaft leben.“
In Jeans und Pullover
Mariotte Hillebrand gehört der Gemeinschaft der Missionsärztlichen Schwestern an. Die besteht in Duisburg aus drei Frauen. Ursula Preußer und Belen Anuncio komplettieren die 2017 neu gegründete Gemeinschaft. Dass die drei Frauen Nonnen sind, sieht man ihnen nicht an. Sie wohnen nicht in einem klassischen Kloster, sondern in einem ehemaligen Pfarrhaus in Röttgersbach, es erinnert ein wenig an eine Studenten-WG.
Auf der Straße ist Mariotte Hillebrand auch nicht im Habit, dem traditionellen Nonnengewand, unterwegs. Meist trägt sie Jeans und Pullover. Das hat Gründe. „Wir wollen unseren Mitmenschen auf Augenhöhe begegnen“, erklärt die stets gut gelaunte Ordensschwester. Mit ihrem Humor kommt sie an im Stadtteil. Sie hat ein Lachen, das ansteckend ist.
Mariotte Hillebrand fühlt sich wohl im Duisburger Norden. Sie kennt zwar die Probleme vor Ort, betrachtet diese aber aus einem anderen Blickwinkel. „Wir sollten nicht immer nur auf das schauen, was jemand nicht kann“, sagt sie. „Es geht vielmehr darum, Potenziale zu fördern.“
Dazu nutzt sie jede Gelegenheit. Bei einem Treffen mit einer muslimischen Frau entstand beispielsweise die Idee, sich zum Fastenbrechen in einem katholischen Gemeindehaus zu treffen. Sie waren der Meinung, Christen und Muslime sollten dieses Ritual im Ramadan gemeinsam begehen.
Unerwartete Unterstützung
Dann bekam die Ordensschwester aber eine bitterböse E-Mail. Der Absender stammte aus dem rechtskatholischen Umfeld. Er wetterte gegen das geplante Fastenbrechen und drohte damit, weitere Gegner am Abend vorbeizuschicken. Mariotte Hillebrand war verunsichert, sprach mit der Polizei. Der Veranstaltung drohte das Aus. Schließlich erklärten sich einige Jugendliche aus der Gemeinde bereit, vor der Tür aufzupassen. Die Unruhestifter blieben fern – und die Gäste gingen mit einem guten Gefühl noch Hause. „Die Solidarität, die wir damals erfahren haben, war überwältigend“, betont Mariotte Hillebrand.
"Die Solidarität, die wir damals erfahren haben, war überwältigend."
Wenn sie redet, kommt bei der Frau manchmal ein schwäbischer Zungenschlag durch. Das liegt an ihrer Herkunft. Mariotte Hillebrand wuchs auf im idyllischen Bad Waldsee in Oberschwaben. Ihre Eltern haben sie katholisch erzogen. Doch während ihres Theologie-Studiums im Klosterdorf Benediktbeuern im Alpenvorland fremdelte sie mit den strengen Lehren der Kirche, etwa als Papst Johannes Paul II. dem Frauen-Priestertum eine Absage erteilte. „Damals wie heute war und ist in der Institution Kirche einiges im Argen“, sagt Mariotte Hillebrand. Es gab sogar Momente, in denen die Theologiestudentin daran zweifelte, ob sie tatsächlich den richtigen Weg eingeschlagen hat, „ich fühlte mich, wie ein Baum, der ohne Wurzeln auf einer Wiese steht“.
Dass sie sich dann trotzdem für ein Leben als Nonne entschied, war das Ergebnis eines langen Abwäge-Prozesses: „Das war keine Entscheidung von heute auf morgen. Ich habe aber gemerkt, dass der Glaube an Gott für mich immer wichtiger wurde.“ Nach zweijähriger Probezeit im Orden legte sie das Gelübde ab, in Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam zu leben.
Nach Marxloh ins Ruhrgebiet
Bevor Mariotte Hillebrand nach Duisburg kam, arbeitete sie zehn Jahre lang in Frankfurt am Main. 2016 plante ihre Mitschwester Ursula Preußer, eine neue Kommunität in Duisburg zu gründen. „Ich fand die Idee klasse, wollte mich einbringen und bin ins Ruhrgebiet gezogen“, sagt Mariotte Hillebrand. Die Ordensschwester bekam in der Pfarrei Sankt Johann eine Stelle als Pastoralreferentin – und packte sofort mit an. Mariotte Hillebrand gründete einen Chor in Marxloh, in dem unter anderem Kinder aus Syrien oder der Türkei gemeinsam mit deutschen Mädchen und Jungen singen. Außerdem traf sich die Neu-Duisburgerin mit Menschen aus dem Stadtbezirk Hamborn und hörte sich an, was die Bürger bewegte.
Gemeinsames Kochen verbindet
Ihr Talent, anderen Menschen zuzuhören, stellte Mariotte Hillebrand auch bei einem gemeinsamen Essen unter Beweis, das sie in Marxloh mit organisierte. Besucher aus verschiedenen Nationen stellten dafür Gerichte aus der Heimat zusammen. Prominente Gäste aus Kirche, Politik und Wirtschaft hatten sich angesagt. Als diese ankamen, setzten sie sich aber nicht an den gedeckten Tisch. Sie gingen erst einmal gemeinsam mit den Gastgebern in die Küche, schnibbelten, rührten und brutzelten mit ihnen. „So haben wir beim Kochen Menschen zusammengebracht, die ansonsten kaum Kontakt miteinander kommen.“