GROSSES KINO IN DUISBURG
Die 14-jährige Merle ist verschwunden. Karin sucht sie in der Bau - wagensiedlung. Sie kommt vorbei an Männern, die am Lagerfeuer sitzen. An einem klapprigen Damenrad. An Liegestühlen. Dann trifft Karin auf Gerhard. Doch bevor beide die Suche nach Merle fortsetzen können, hören sie einen Zwischenruf von außen. Karin und Gerhard lauschen den Anweisungen und gehen anschließend wie - der in ihre Ausgangsposition.
Wobei: Eigentlich gehen Maren Kroymann und Heiner Lauterbach wieder in Position. Die berühmten Schauspieler verkörpern nämlich Karin und Gerhard, zwei Hauptfiguren in „Enkel für Anfänger“. In der Komödie geht es um Rentner, die der Langeweile des Alltags ent - fliehen wollen und Leih-Großeltern werden. Kinderdarsteller Julius Weckauf, bekannt als junger Hape Kerkeling in „Der Junge muss an die frische Luft“, mimt einen Enkel. Der Film kommt im März 2020 in die deutschen Kinos.
„Enkel für Anfänger“ spielt im Ruhrgebiet
In der Region suchte die Produktionsfirma „Claussen+Putz“ nach Drehorten. Schließlich landete sie in Duisburg: im Landschaftspark Nord. „Als wir uns den Schauplatz zum ersten Mal angeguckt haben, lag noch Schnee“, sagt Jan Beek. Der 37-Jährige ist erster Aufnahmeleiter am Set, hat beim Filmprojekt mit seinen 36 Drehtagen den Gesamtüberblick. Beek sagte der Landschaftspark auf Anhieb als Drehort zu. Inmitten der Industriekulisse sollte eine Bauwagenszenerie entstehen. Im Januar begann die Vorbereitung. Im Mai rückte die Filmcrew für zwei Drehtage an. Rund fünf Minuten von „Enkel für Anfänger“ entstanden im Landschaftspark.
Beek ist nicht der Erste aus dem Filmgeschäft, der auf dem Gelände eine gute Kulisse entdeckte. 1998 war Dennis Hopper in Meiderich. Die Hollywood-Legende stand damals mit Heino Ferch und Katja Flint für den Actionfilm „Straight Shooter“ vor der Kamera.
Der Landschaftspark ist heiß begehrt
Auch der Regisseur Tom Tykwer drehte schon im Landschaftspark: In der erfolgreichen Fernsehserie „Babylon Berlin“ stecken Szenen aus Duisburg. Die Handlung des Krimis spielt dabei in den 1920er-Jahren. „An diesem Ort sind die vergangenen 120 Jahre darstellbar“, sagt Lena Sieler, Sprecherin des Landschaftsparks. Zudem böten die alten Industrieanlagen einen imposanten Hintergrund. Das schätzten auch die Produzenten von „Alarm für Kobra 11“, „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Ninja Warrior“ – sie alle drehten schon im Landschaftspark.
Großes Kino, großer Aufwand
Mit „Enkel für Anfänger“ ist nun wieder großes Kino zu Gast. Und damit auch ein großer Fuhrpark: Wohnmobile, Lkw für die Technik, ein Food-Truck, Toilettenwagen und mobile Büros.
„An diesem Ort sind die vergangenen 120 Jahre darstellbar.“
Hier herrscht zwischen den einzelnen Drehs Gewusel. Bis zu 50 Mitarbeiter sind an einem Drehtag im Einsatz – hinzu kommen Schauspieler, Komparsen und Statisten. Es sind noch 30 Minuten bis zum nächsten Dreh. Maskenbildner pudern die Darsteller. Set-Runner tragen Requisiten zum Schauplatz. Aufnahmeleiter Jan Beek bespricht mit seinen Kollegen bereits die Drehs der kommenden Woche.
Schon in Duisburg gedreht
Als Schauspielerin Maren Kroymann aus der Maske kommt, deutet sie gleich auf die Hochöfen. „Die Kulisse finde ich wirklich beeindruckend“, sagt die 69-Jährige. Kroymann ist heute zum ersten Mal im Landschaftspark. In Duisburg hat sie aber früher schon gedreht. Kroymann spielte in den 1990er-Jahren die Hauptrolle in der TVSerie „Vera Wesskamp“. Sie verkörperte darin die Leiterin einer Duisburger Binnenschiff-Reederei. „Da waren wir natürlich im Hafen und am Rhein“, erzählt Kroymann.
Für Heiner Lauterbach ist „Enkel für Anfänger“ jedoch eine Premiere. Der 66- Jährige hat in seiner langen Schauspielkarriere an vielen Orten der Welt gearbeitet. Nun steht er zum ersten Mal in Duisburg vor der Kamera. Auch ihm gefällt es im Landschaftspark. In Lauterbachs Kopf entstehen bereits Ideen für neue Filme. „Hier kann man praktisch für jedes Genre drehen“, sagt er. „Für Thriller mit wilden Verfolgungsjagden ist der Ort wie geschaffen.“ Gerne würde der Hauptdarsteller die Drehpause nutzen, um den Landschaftspark zu erkunden. „Das geht aber nicht“, sagt Lauterbach. „Man sollte schon immer in der Nähe des Drehorts bleiben.
Detailarbeit am Set
Langsam setzt die Dämmerung ein. Die Filmkarawane zieht weiter – aus dem Wohnwagenpark zurück zum Set. Aufgebaut wurde es schon Tage vor dem Dreh von Szenenbildnerin Ellen Latz und ihrem Team. Sie brachten einen ausrangierten US-Schulbus nach Duisburg, stellten Campingmobile und Bauwagen auf – dann begann die Feinarbeit in der Siedlung. Wer sich dem Drehort nähert, entdeckt die Liebe zum Detail. Holzschnitzereien, Blumentöpfe, Kaffeetassen und ein Hühnerverschlag sorgen für Authentizität am Filmset.
„Für Thriller mit wilden Verfolgungsjagden ist der Ort wie geschaffen.“
Maren Kroymann und Heiner Lauterbach haben keine Zeit, diese Details zu bewundern. Die nächste Szene wird gedreht. Die beiden Schauspieler legen ihre Jacken ab und gehen in Position. Die Klappe fällt: Maren Kroymann wird zu Karin, Heiner Lauterbach hört ab jetzt wieder auf den Namen Gerhard. Die Suche nach Merle geht weiter.