Pommes, Pusterballen & Nostalgie
Die Fotos vom Schimanski-Dreh, ein bisschen unscharf und dunkel, hängen gleich vorne neben der Tür. Natürlich hat Schauspieler Götz George bei der Gelegenheit auch bei Andrea Schulte vorbeigeschaut. Seit vierzig Jahren steht sie hinter der Theke von Peter Pomm’s Pusztettenstube – und behandelt alle Kunden gleich: Ob Fernsehstar oder Schlagersänger, „hier wird nicht gesiezt“. Und das macht im Kultimbiss schon die Hälfte des Erfolgs aus. Die andere Hälfte sind die Pusztetten.
„Zweimal Pusta-Pommes, einmal mit Mayo“, schallt es durch die Bude, kaum größer als eine Garage. Fett brutzelt, die Frittenkelle schabt übers Blech, mit einer schnellen Bewegung aus dem Ellenbogen noch ein Spritzer Ketchup drüber, schon dampft es auf dem kleinen Tablett. Zur Mittagszeit gehen die hausgemachten weichen Hackbällchen in der pikanten Soße im Minutentakt über die Theke. Das Rezept ist streng geheim – und unverändert seit 1958.
Die Anfangszeit
Damals eröffnete der Metzger Peter Johann Hildebrand seinen ersten Imbiss auf der Weseler Straße und eroberte die Duisburger Gaumen im Sturm. „Die Kinder konnten nicht Pommes sagen, das war ja Neuland. Also haben die Kleinen immer gerufen: Nach ’em Pomm, wir wollen nach ’em Pomm“, erzählt Andrea Schulte, wie der Imbiss einst zu seinem Namen kam.
Verkaufsschlager Kartoffel
Ein paar gerahmte Zeitungsartikel verraten noch mehr über die Geschichte des Pommes-Pioniers: Die erste Fritteuse musste in der Schweiz bestellt werden, weil es so etwas in Deutschland in den fünfziger Jahren noch gar nicht gab. Und 1959, im Jahr der Kartoffelkrise, war der Verkaufsschlager so rar, dass jeder Kunde – selbst KaufhausKönig Helmut Horten – nur eine Tüte der handgeschnittenen Fritten kaufen durfte.
Klar, Kartoffeln gibt es wieder reichlich. Ansonsten hat sich seit damals nicht viel verändert. Dönerläden und Pizzabäcker sind wie Pilze aus dem Boden gewachsen. Doch die Pusztettenstube in Marxloh, seit 1967 am August-Bebel-Platz und die letzte aus einer ganzen Reihe Filialen, hat noch immer ihre treue Fangemeinde. Alfons Muszynski zum Beispiel, der zwei- bis dreimal im Jahr aus dem 40 Kilometer entfernten Wachtendonk herkommt, um hier die „Curryletten“ zu essen – noch so eine Peter-PommSpezialität, denn die Currywurst wird nicht gebraten, sondern in der Soße gekocht. Als „alter Marxloher“ kennt er den Laden schon seit 40 Jahren und weiß: „Es schmeckt noch ganz genauso wie früher.“
Silke Teitzel gehört eher zum Team Pusztetten und schaut für die ganz besonderen Fleischbällchen sogar täglich vorbei. „Schon meine Oma hat hier früher tütenweise Pusterballen geholt, wenn sie auf den Markt gegangen ist“, erzählt sie. „Und dann hat sie für die ganze Großfamilie Pommes mit Pusterballen gemacht.“
Karte voller Klassiker
Doch nicht nur beim Essen ist Nostalgie eine wichtige Zutat: Ein Besuch in der Pusztettenstube ist wie eine Zeitreise durch die vergangenen Jahrzehnte – WDR 4 aus dem Radio inklusive. Die Pommesschale ist sicher so alt wie der Laden selbst, an der Wand hängen Fotocollagen von Achtziger-Jahre-Partys und die Aufmachung der Theke erinnert irgendwie stark an die Neunziger. „Bloß nicht renovieren“, würden die Stammkunden immer wieder sagen. Eine Faustregel, die wohl auch für die Speisekarte gilt: Selbstgemachte Jäger- oder Zigeunersauce stehen zur Wahl, vegetarische Alternativen zu Schnitzel, Wurst und Co. sucht man dagegen vergeblich. Nur der Latte Macchiato hat sich im Laufe der Jahre irgendwie zwischen die Ruhrpott-Klassiker gemogelt, sozusagen als Zugeständnis ans neue Jahrtausend.
„Die Kinder konnten nicht Pommes sagen, das war ja Neuland. Also haben die Kleinen immer gerufen: Nach ’em Pomm, wir wollen nach ’em Pomm.
Übrigens kommen Duisburgs wohl berühmteste Pusterballen sogar irgendwo in Amerika auf den Tisch – ein Stammkunde schickt die Dosenvariante regelmäßig über den Atlantik. Damit das auch so bleiben kann, ist die Nachfolge bei Peter Pomm längst klar geregelt. Wenn es so weit ist, soll Dario Schulte den Laden von seinem Großvater Wilhelm Tauber, dem inzwischen recht betagten Schwiegersohn des einstigen Pommes-Pioniers, übernehmen. Für den 24-Jährigen war immer schon klar, dass er eines Tages in das Familienunternehmen einsteigt. Die Ausbildung zum Verkäufer hat er noch abgeschlossen, jetzt steht er seit einem halben Jahr mit hinter der Theke und lernt, worauf es in dem Geschäft ankommt. „Als Imbissverkäufer ist man alles: Koch, Putzfrau und Seelenklempner“, sagt Kollegin Andrea, die schon mit 16 Fritten und Currywurst zauberte, und lacht ein bisschen über diese Lektion.
Top Secret
Und das Geheimrezept für die Pusztetten? „Das kenne ich noch nicht. Der Opa hütet es wie sein tiefstes Geheimnis“, gibt Dario Schulte zu. „Aber ich weiß seit meiner Kindheit, wie sie zu schmecken haben.“ Und dass sich dieser Geschmack nie verändern wird, das kann der zukünftige Chef seinen treuen Fleischbällchen-Fans schon heute versprechen.